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28.7.2021 1:51

Organspende in Deutschland

Für viele schwer kranke Menschen ist ein Spenderorgan die letzte Rettung. Aber die Organe sind knapp – auch hier in Deutschland.

Für viele schwer kranke Menschen ist ein Spenderorgan die letzte Rettung. Dabei gibt es zu wenige Menschen, die nach dem Tod ihre Organe spenden wollen, und deshalb ist die Warteliste auf ein Organ lang. Als einziges Land in der EU gilt in Deutschland jedoch die Entscheidungslösung, das bedeutet, dass man aktiv der Organentnahme vor dem Tod zustimmen muss. Bei der Widerspruchslösung werden die Organe nur bei dem Einspruch der Person zu Lebzeiten nicht entnommen. Ein Gesetzesentwurf für die Widerspruchslösung, über den am 16. Januar 2020 im Bundestag abgestimmt wurde, ist aber abgelehnt worden. Somit bleibt es jedem selbst überlassen, sich mit diesem Thema auseinander zu setzen und seine Entscheidung zu treffen, ob die Organe nach dem Tod gespendet werden sollen oder nicht. Die untenstehenden Informationen sollen einen Überblick bieten und zum Nachdenken über das Thema Organspende anregen.

Organspende:

  • ca. 9500 Menschen pro Jahr stehen auf der Warteliste
  • 1000 Menschen sterben pro Jahr auf dieser Liste
  • 955 Menschen waren Organspender (2018); 797 Menschen (2017)
  • In Spanien gibt es die meisten Organspender weltweit

Organspendeausweis – Möglichkeiten:

  • der Spende zuzustimmen,
  • sie abzulehnen,
  • nur die Spende bestimmter Organe zuzulassen beziehungsweise einzelne Organe von der Spende auszuklammern
  • oder eine Person zu bestimmen, die die Entscheidung dann treffen soll. Dies muss nicht zwingend ein Angehöriger sein
  • Jugendliche können ab 16 Jahren der Organspende zustimmen
  • ab 14 Jahren kann auch schon Widerspruch eingelegt werden
  • Deutschland ist Mitglied der Organisation Eurotransplant, die insgesamt acht Mitgliedsländer hat
  • Deutschland ist Importland (Export: 434 Organe; Import: 609 Organe (2017)

Johanna Nässl

Herzschlag - eine fiktive Erzählung von Carolin Wieser

Bum, Bum, Bum- so schlägt dein Herz. Ich höre es. Mein Ohr liegt auf dem Oberkörper. Ich denke an die Zeit als ich es zum ersten Mal hörte. Die Sommersonne scheint warm und golden auf uns herab. Ich betrachte die Landschaft- ein See von Bäumen umrahmt, mit den kleinen Segelbooten darauf, wie weiße Sprenkel auf einer blauen Oberfläche. Es scheint alles perfekt zu sein. Dann sehe ich hinauf zu deinem Gesicht, mustere die Lippen, die ich gerade geküsst habe. Es fühlte sich surreal und unglaublich an, wie deine Lippen meine streiften, am Anfang zart und dann immer intensiver, sicherer und fordernd. Nun lehne ich mich an dich und der schnelle Rhythmus deines Herzens passt sich meinem an. Du flüsterst leise in mein Ohr. „Du machst mich glücklich, weißt du das?“ Ich lächle und antworte sanft: „Du mich auch.“ Dann gleiten meine Lippen auf deine und alles, was ich empfinde, wandert in diesen Kuss.

Ich öffne die Augen. Die Erinnerung an diesen Tag - wunderschön und grässlich zugleich. Hellgraue statt dunkelgrüner Augen sehen mich an. Ja, es ist dein Herz, aber nicht dein Körper, dein Gesicht oder deine Augen. Nur dieses eine Organ lebt noch von dir- hat es geschafft nicht mit dir zu sterben. Es schlägt in einem anderen Jungen weiter, der mich aus einer Mischung aus Verwirrung, Verständnis und Angst ansieht. Ich versuche mich an einem Lächeln, doch es kommt wahrscheinlich nur eine Grimasse heraus und die Tränen fließen plötzlich. Ich zittere am ganzen Leib und dieser verdammte Schmerz ist wieder da, so wie am ersten Tag. Arme umschließen mich und drücken mich fest an seinen Körper. Ich weine bis nichts mehr da ist und blicke auf seine nasse Schulter. Schnell löse ich mich von ihm und streife dabei aber die Narbe auf seiner Brust. „Geht es wieder?“, fragt er sanft.

Nein, es geht nicht. Jeden Tag werde ich wieder an dich denken müssen, muss trotzdem immer noch an der Stelle vorbeifahren an der wir ins Schleudern gekommen sind. Als nach dem Aufprall dein Gesicht blutüberströmt war und du mir trotzdem mit brüchiger Stimme versichert hast, dass alles gut wird. „Ich liebe dich.“ Das waren deine letzten Worte, bevor du dir ein Lächeln abquältest und endgültig die Augen schlosst. Erst konnte ich mich nicht bewegen, doch dann bin ich ausgetickt. Ich habe dich angeschrien, angefleht, du sollest doch verdammt noch mal die Augen öffnen- bis ich zusammenbrach. Du hast nie wieder die Lider gehoben und es kamen auch nie wieder die dunkelgrünen Augen zum Vorschein.

„Es ist gruselig, nicht wahr?“ Verständnisvoll blickt er mich an. „Ja. Ja, irgendwie schon.“ Plötzlich flammt Wut in mir auf. Dieser Junge fragt, ob ich okay bin, während er durch den Tod meines Freundes profitiert hat. Wahrscheinlich dankt er jeden Tag dem Schicksal, dass du anstatt ihm gestorben bist und das Herz nun in seinem Körper weiterschlägt. „Was würdest du wählen: Seinen Tod und das Herz oder deinen Tod?“, frage ich ihn kalt. „Ich kann verstehen, dass du sauer oder wütend auf mich bist. Aber weder du noch ich können die Zeit zurückdrehen und eine Entscheidung über unsere Zukunft treffen. Wir können das Schicksal nicht beeinflussen, nur damit leben.“ Ich komme mir rücksichtslos und egoistisch vor, ich stelle ihn vor Entscheidungen, die er nicht treffen kann. Zehn Monate hat er nach dir recherchiert und hat schließlich meine Nummer herausgefunden. Er wollte sich mit mir treffen, über dich reden- und ich wollte noch ein letztes Mal deinen Herzschlag hören. Doch jetzt beschuldige ich ihn grundlos für Dinge, die er nicht ändern kann. Wahrscheinlich will er nur noch nach jahrelanger Krankheit sein Leben leben, eines, das ihm so lange verwehrt blieb, aber er muss sich mit der Freundin des ehemaligen Besitzers des Herzens herumschlagen, die auch ein Jahr nach dem Tod ihres Freundes nicht darüber hinwegkommt. „Komm, lass uns woanders hingehen, an einen Ort, an dem wir in Ruhe reden können.“

Er führt mich an den See, an dem mit dir alles begonnen hat. „Weißt du, ich fühle mich jeden Tag schuldig. Nun lebe ich ein neues Leben, das, wenn das Schicksal gerecht wäre, nicht existieren dürfte. Dein Freund müsste weiterleben.“ Ich nicke langsam, weil ich zu realisieren beginne, dass seine Situation auch schrecklich ist. Fast schüchtern wirkt er nun, als er den Mund öffnet, aber dann wieder schließt. „Was möchtest du wissen?“, frage ich leise. Erst schweigt er und schaut auf den Boden, dann sieht er mir direkt in die Augen. „Wie war er? Ich muss es wissen, damit ich ihm danken kann.“ Ich lächle traurig. „Er war der schönste Mensch, den ich kannte.“ Ich stocke und er sieht mich forschend und irgendwie drängend an. „Du hast bestimmt schon Bilder von ihm gesehen, aber es war nicht nur sein Aussehen, sondern sein Charakter, der ihn schön machte. Wenn er dich liebte, hat er alles gemacht für dich- und es waren viele Menschen, denen er seine Liebe schenkte. Immer ist er offen auf alle zugegangen, ohne jegliche Vorurteile.“ Ich sehe in den Himmel, der verschwommen vor meinen Augen tanzt. „Ja, er hat es nicht verdient zu sterben“, sage ich und meine Stimme zittert. „Danke“, antwortet er mir. „Ich weiß jetzt, wem ich mein neues Leben zu verdanken habe.“ „Er freut sich bestimmt, wenn er weiß, dass er jemandem ein neues Leben durch seinen Tod ermöglicht hat. Er wollte für alle das Beste.“ Ernst sehe ich ihm in die hellgrauen Augen.

Dann verschwimmt nochmal alles und ich sehe das geliebte dunkelgrün. Du siehst mich an. „Du weißt, dass diese Worte auch für dich gelten.“ Und deine gewohnte Art mit mir zu sprechen, offen und gleichzeitig so liebevoll, lässt mich erschaudern. „Ja.“, antworte ich, weil ich langsam zu realisieren beginne, was du meinst. Dann sage ich noch ein Wort. „Danke.“ Wir beide wissen, dass damit alles gesagt ist. Du lächelst, drückst noch einmal meine Hand und wendest dich ab. Ich sehe dir nach wie du in die untergehende Sonne läufst bis du kleiner wirst und schließlich verschwindest.

Ich öffne die Augen und bin in der Gegenwart gelandet. „Komm!“, rufe ich dem Jungen zu. Ich nehme seine Hand und führe ihn mit mir mit, damit wir leben können – für uns, für dich und beinahe kann ich dein Lächeln spüren, das mich begleitet. „Danke“, flüstere ich noch einmal in die Ferne. „Für all die glücklichen Momente.“ Ich gehe in den Sonnenuntergang und laufe bis ich die Sterne sehe.

Autor*in

Carolin Wieser

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Q12

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